Die Bezeichnung „Volljurist:in“ ist keine formelle Berufsbezeichnung, wenngleich sie vollkommen etabliert ist. Haben Jurist:innen ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität und ein staatliches Referendariat absolviert sowie beide juristischen Staatsprüfungen bestanden, dürfen sie die Bezeichnung Rechtsassossor:in oder kurz Ass.jur./iur führen.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Anwältin am Laptop. Foto: Colourbox
Foto: Colourbox

Der Weg zum Volljuristen / zur Volljuristin

Mit erfolgreich absolvierter volljuristischer Ausbildung erhalten Sie 

  • die Befähigung zum Richteramt
  • die Möglichkeit, als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt zugelassen zu werden und
  • die Befugnis, als Staatsanwalt zu arbeiten.

Die Ausbildung besteht aus 

  • dem universitärem Studium mit Abschluss der ersten juristischen Prüfung
  • dem Referendariat, einem zweijährigen juristischen Vorbereitungsdienst, mit Abschluss der zweiten juristischen Staatsprüfung

Das Referendariat

Während die Ausbildung der Rechtsreferendar:innen im Freistaat Sachsen dem Oberlandesgericht Dresden obliegt, wird jedem/r Referendar:in ein Landgericht zur Stammdienststelle bestimmt.

Als Rechtsreferendar:in werden Sie während des Referendariats für jeweils einige Monate in den vier Pflichtstationen 

  • Zivilrechtsstation (ordentliches Gericht)
  • Strafrechtsstation (Staatsanwaltschaft oder Strafgericht)
  • Verwaltungsstation (Verwaltungsgericht oder Behörde)
  • Anwaltsstation (Rechtsanwalt)

und einer Wahlstation praktisch ausgebildet. Ind er Wahlstation haben Sie die größte Auswahl an Ausbildungsstätten und auch die Möglichkeit eines Auslandsaufenthaltes. Zu Beginn der Anwaltsstation besteht zudem die Möglichkeit, ein Semester an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften (DUV) Speyer zu belegen.

Jede Station beginnt mit einem zwei- bis vierwöchigen Einführungslehrgang. Begleitend zur Stationsarbeit finden beim Landgericht Arbeitsgemeinschaften in den Rechtsgebieten Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht statt, in denen die theoretischen Kenntnisse der einzelnen Prozessordnungen vermittelt und gleichzeitig das Wissen aus dem Studium vertieft wird. Daneben wird das Verfassen von Klausuren und das Halten von Aktenvorträgen für die Zweite Juristische Prüfung geübt. Die Arbeitsgemeinschaften sind Pflicht und erfolgen über die gesamte Ausbildungszeit hinweg in gleicher Besetzung. Weiterhin ist jede:r Referendar:in einer/einem Einzelausbilder:in unterstellt. 

Die Zweite Juristische Prüfung

Mit der Zweiten Juristischen Staatsprüfung endet das Rechtsreferendariat. Die acht fünfstündigen Examensklausuren werden im Juni oder Dezember jeden Jahres (oder auch: im 20. Ausbildungsmonat an Ende der letzten Pflichtstation) geschrieben. 

Die Aufgaben unterteilen sich in:

  • 4 Aufgaben mit dem Schwerpunkt aus dem Zivilrecht einschließlich des Verfahrensrechts
  • 2 Aufgaben mit dem Schwerpunkt aus dem Strafrecht einschließlich des Verfahrensrechts
  • 2 Aufgaben mit dem Schwerpunkt aus dem Öffentlichen Recht einschließlich des Verfahrensrechts

Haben Sie die schriftlichen Klausuren bestanden, werden Sie nach der Wahlstation im November oder Mai recht kurzfristig zur mündlichen Prüfung geladen. Die Prüfung selbst besteht aus einem Aktenvortrag und einem Prüfungsgespräch. Das Prüfungsgespräch gliedert sich in die Teile Zivilrecht, Strafrecht und öffentliches Recht. Es gibt pro Tag zwei Durchgänge mit jeweils vier Prüflingen. Die Prüfungskommission besteht aus mindestens drei Prüfern und in der Regel wird mindestens einer der Prüfer auch Praktiker (Rechtsanwalt oder Notar) sein.

Erfahrungsberichte

Hier veröffentlichen wir Erfahrungsberichte unserer Alumni aus dem Referendariat. Diese sollen Ihnen nützliche Einbicke in den Ablauf und die verschiedenen Stationen geben und den einen oder anderen wertvollen Tipp bereithalten.

Wenn auch Sie über Ihre Referendariatserfahrungen berichten möchten, schreiben Sie uns gern eine Mail.

 

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Josefin Damaske

Josefin studierte Rechtswissenschaften in Leipzig und absolvierte 2021 ihr Erstes Staatsexamen. Ihr Referendariat am Landgericht Leipzig schloss sie im Mai 2023 mit der Zweiten Juristischen Prüfung ab. Im Interview gewährt sie uns Einblick in ihre Lieblingsstationen, erzählt von ihren Erfahrungen mit den stationsbegleitenden AGs und gibt Tipps für die Examensvorbereitung.

Was haben Sie bis zu Ihrem Referendariat gemacht?

Ich hatte zwischen dem Abschluss des ersten Staatsexamens und dem Start des Referendariats knapp zweieinhalb Monate Pause. Zu der Zeit herrschte Lockdown – teilweise noch mit Ausgangssperre, also bestand keine Möglichkeit, sich einen Urlaub o.ä. zu gönnen. Demnach habe ich meine freie Zeit mit Spaziergängen, Wohnungssuche und der Erweiterung meiner Kochkünste verbracht.

(Wie) haben Sie sich auf das Referendariat vorbereitet?

Eine Vorbereitung habe ich nicht getroffen. Ich denke auch, dass dies nicht nötig ist. Kurz vor dem Beginn des Referendariats wurden wir bereits auf der online-Lernplattform freigeschalten und es erging die Mitteilung, welche Bereiche möglichst vor dem Unterrichtsbeginn durchgearbeitet werden sollten. Diesen Hinweis habe ich ernst genommen und bin auf diese Weise mit etwas Vorwissen in das Referendariat gestartet. Das hat mir den Einstieg wirklich erleichtert.

An welchem Gericht haben Sie Ihr Referendariat absolviert?

Meine Stammdienststelle war das Landgericht Leipzig. Grundsätzlich erfolgt die Bewerbung an das sächsische OLG. Bei dem Bewerbungsbogen für das Referendariat besteht die Möglichkeit, eine persönliche Präferenz für die jeweiligen Stammdienststellen Dresden, Chemnitz, Leipzig und nun auch Görlitz (Bautzen) anzugeben. Da ich für das Jurastudium nach Leipzig gezogen bin, mich in der Stadt wohlfühlte und einen Freundeskreis aufgebaut hatte, wollte ich meine Ausbildung gern nahtlos fortsetzen, sodass ich Leipzig als Präferenz angab. Wie die Zuteilung zu den Stammdienststellen konkret abläuft, obliegt aber letztlich nicht einem selbst. Und weil meist mehr Personen Leipzig präferieren als es hier tatsächlich Ausbildungsplätze gibt, kommt es auch vor, dass einige zum Beispiel nach Chemnitz pendeln müssen. Das ist aber nur halb dramatisch, da die Stammdienststellen stets sehr bemüht sind, auf diesen Umstand Rücksicht zu nehmen.

Welche Stationen haben Ihnen am besten gefallen?

Die Reihenfolge der Stationen in Sachsen ist folgende: Zivilstation, Strafstation, Verwaltungsstation, Anwaltsstation, Wahlstation. Da ich bei allen praktischen Ausbildern wirklich Glück hatte, fand ich so gesehen alle Stationen toll. Meine Lieblingsstation waren jedoch die Strafstation und die Anwaltsstation.

In der Strafstation war ich der Staatsanwaltschaft zugeordnet und konnte dadurch auch selbst Sitzungsvertretungen wahrnehmen, was für mich das Highlight des Referendariats darstellte. Die Anwaltsstation habe ich bei einem Fachanwalt für Strafrecht absolviert, welcher mich aktiv in die Mandatsbetreuung eingebunden hat, sodass ich an Mandantenberatungen in JVAen oder zwischen den Sitzungsterminen sowie an Gerichtsverhandlungen teilnehmen konnte. Zudem hatte er immer darauf geachtet, meine Station so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten.

Wie wichtig waren für Sie die stationsbegleitenden AGs?

Ohne diese AGs hätte ich mein zweites Staatsexamen wohl gar nicht erst bestanden. Es ist eine Sache, sich Skripten zuzulegen, diese durchzuarbeiten und Klausuren zu üben. Eine ganz andere Ebene erreicht man in den AGs, denn dort werden die Zusammenhänge wirklich dargelegt.

Ich möchte dabei nicht falsch verstanden werden. Ich finde Skripte richtig und wichtig, denn ohne diese hätte ich mein Examen schließlich auch nicht bestanden. Aber im AG-Unterricht wird einem erläutert, wie der Laden läuft und dieses Grundverständnis ist einfach nötig. Wie jeder Jurist weiß, existieren in Jura zigtausend Probleme mit mindestens je zwei Meinungen. Die AGs können einem diese nicht beibringen und sind vom Umfang her auch nicht drauf ausgelegt. Aber: In den AGs werden einem die Basics beigebracht. Wenn dieses Grundgerüst einmal verinnerlicht ist, kann man sein Wissen mit den Skripten systematisch vertiefen, sich Zusatzwissen verschaffen und sich dadurch einen Blick für das Wesentliche erarbeiten. Hinzu kommt, dass in den AGs meist viele Mini-Übungsfälle gestellt und im Kursverbund diskutiert werden. Dabei geht es manchmal etwas heiß her, aber dadurch lernt man das differenzierte Betrachten und Argumentieren, das einem kein Skript der Welt beibringen kann … das kommt erst mit der Übung. Im ersten Examen und auch am Anfang des Referendariats stand bei mir an den Klausuren öfter als Anmerkung am Rand „zu oberflächlich“ „kaum/ schwer vertretbar“ „nicht ausreichend differenziert“ und die Note war entsprechend. Durch das ständige Mitarbeiten im Unterricht und die aktive Mitwirkung an den Diskussionen habe ich gelernt, Problembereiche von mehreren Seiten zu betrachten, jeden Argumentationsstrang gedanklich nachzuverfolgen und Gegenargumente zu antizipieren. Das habe ich in die Klausurbearbeitung übernommen und mein Notendurchschnitt stieg merklich an.

Fazit: Die AGs ersetzen keine Skripten bzw. Übungsklausuren und die Skripten bzw. Übungsklausuren ersetzen keine AGs.

Wie haben Sie sich auf das 2. Staatsexamen vorbereitet?

Ich kann jedem nur raten, von Anfang an am Ball zu bleiben. Letztlich habe ich das Referendariat wie einen Fulltime-Job behandelt: 8 Stunden Arbeit am Tag und am Wochenende frei.

Bereits in den jeweiligen Stationen habe ich mit Hilfe des Unterrichtes, der online-Lernplattform und  Skripten eigene Hefter zu den prozessualen Themen erstellt. Zudem habe ich sämtliche Hausaufgaben – zumeist Falllösungen für die Besprechung im Unterricht – sorgfältig vorbereitet und mich aktiv (!) am Unterricht beteiligt. So hatte ich nach der Verwaltungsstation alle prozessualen Hefter fertig und konnte aktiv ins Lernen übergehen.

In der Anwaltsstation habe ich dann das prozessuale Recht mit meinen Heftern sowie das materielle Recht mit Skripten – stets im Abgleich mit den Kommentaren – wiederholt, eine Klausur pro Woche geschrieben sowie abgegeben (Übungsklausuren von der Stammdienststelle oder extra Klausurenkurs) und wöchentlich den Rechtsbereich gewechselt. Als noch knapp vier Monate vor dem Examen lagen, habe ich dann meist täglich vormittags für maximal zwei Stunden eine Klausur skizzenhaft gelöst.

Die dadurch gewonnene Routine der Klausurbearbeitung hat die Prüfungsangst stark reduziert, denn ich wusste: Wie ist mein regulärer Zeitplan? Wann muss ich anfangen mit der Reinschrift? Wie gehe ich mit dem Kommentar um? Und ganz wichtig: Was mache ich, wenn ich absolut gar keine Ahnung habe, wie ich diese Klausur lösen soll? Wie funktioniert mein Notfallplan? Das hat mir große Sicherheit gegeben.

Kann man über das Referendariat schon seinen späteren Arbeitgeber finden?

Definitiv. In der Anwaltsstation und in der Wahlstation kann man sich seine Ausbilder aussuchen. Viele aus meinem Kurs haben dort in Frage kommende Arbeitgeber „getestet“. Manche haben auch ihre Anwaltsstation verkürzt und sind noch nach Speyer gegangen. Andere wiederrum haben ihre Wahlstation im Ausland absolviert. Mit der entsprechenden Planung ist fast alles möglich.

Welche Tipps würden Sie angehenden Referendar:innen gern mit auf den Weg geben? Oder: Was hätten Sie selbst gern früher gewusst?

Deine Kommentare sind deine besten Freunde! Ohne ständiges Nachschlagen während des Lernens weiß man nicht: Was muss ich mir tatsächlich merken? Was ist einfach im Kommentar zu finden? Wo weicht der Kommentar von der Rechtsprechung ab/ vertritt eine Mindermeinung? Welche Bereiche sind gar nicht oder an untypischen Stellen kommentiert?

Was machen Sie derzeit beruflich bzw. welche beruflichen Ziele möchten Sie als nächstes verfolgen?

Aktuell befinde ich mich im Bewerbungsprozess für den Staatsdienst in verschiedenen Bundesländern, denn mein Berufswunsch lautet: zunächst Staatsanwältin, später Jugendrichterin. Vor allem aber genieße ich meine erste wirklich freie Zeit seit Jahren, denn wie jeder nach dem Abschluss weiß: Das habe ich mir verdient!

Leipzig, 30. Mai 2023