Der Arbeitskreis Grunderwerbsteuer ist am Institut für Steuerrecht der Universität Leipzig angesiedelt. Die Mitglieder des Arbeitskreises sind: Prof. Dr. Marc Desens, Universität Leipzig (Sprecher), Torsten Bock, BZSt, Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen, LMU München, Gerda Hofmann, BMF, Dirk Krohn, Finanzverwaltung Schleswig-Holstein, Prof. Dr. Matthias Loose, BFH und Prof. Dr. Thomas Wagner, Grant Thornton. Alle Mitglieder des Arbeitskreises geben gemeinschaftlich ihre persönliche Auffassung wieder.

Modernisierungsmodell für das Grunderwerbsteuerrecht im Überblick

Das Gesetz zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts (MoPeG) ersetzt zum 1.1.2024 bei Personengesellschaften das „Gesamthandsvermögen“ durch ein „Gesellschaftsvermögen“. Die Steuervergünstigungen nach §§ 5, 6 und 7 GrEStG knüpfen ausdrücklich an die „Gemeinschaft zur gesamten Hand“ an. Ohne eine gesetzliche Reaktion gelten diese Vergünstigungen dann nur noch für Güter-, Erben- oder Wohneigentumsgemeinschaften, aber nicht mehr für ihren bisher eigentlichen Anwendungsfall, den Personengesellschaften (GbR, OHG, KG), was zu Steuermehreinnahmen im oberen dreistelligen Millionenbereich führen wird.

Auch steuerkonzeptionell lassen sich die Vergünstigungen nur durch ein traditionelles (und selbst im Zivilrecht seit 2001 überholtes) Verständnis der Gesamthand rechtfertigen, nicht aber bei dem ab 1.1.2024 rechtlich verständigten Gesellschaftsvermögen (§ 713 BGB). Für die Zwecke der Grunderwerbsteuer entfällt damit zugleich die Rechtfertigung, Personen- und Kapitalgesellschaften (etwa eine GmbH & Co KG oder eine GmbH) unterschiedlich zu belasten. Eine gesetzgeberische Reaktion, die nur darauf abzielt, auch nach dem 1.1.2024 die bisherige Rechtslage für Zwecke der Grunderwerbsteuer fortzuführen, würde daher erhebliche verfassungsrechtliche und vor allem EU-beihilferechtliche Risiken mit sich bringen. Daher kann der Gesetzgeber nicht „irgendwie“ reagieren, wenn er ein „Leerlaufen“ der §§ 5, 6 und 7 GrEStG einseitig zu Lasten von Personengesellschaften verhindern will.

Vor diesem Hintergrund schlägt der Arbeitskreis Grunderwerbsteuerrecht mit dem Modernisierungsmodell (Momo) eine am Belastungsgrund orientierte Neuausrichtung des GrEStG vor, mit dem auch die übrigen Schwächen des geltenden Rechts (etwa ungerechtfertigte Doppelbesteuerungen, offene Gestaltungslücken, insuffiziente Konzernklausel, überkomplexe Zurechnungsregeln) behoben werden.

Ein rechtsformneutraler Ergänzungstatbestand, der aus dem Belastungsgrund abgeleitet wird

Wer 100 Prozent der Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft hält, steht wirtschaftlich dem Eigentümer dieser Grundstücke gleich. Dieser Belastungsgrund wird dem einzigen Ergänzungstatbestand für alle Share Deals rechtsformneutral zugrunde gelegt: Steuerbar sind Rechtsvorgänge, die zur Vereinigung von 100 % der Anteile einer Grundstücksgesellschaft in der Person des Erwerbers führen. Share Deals und der Erwerb des Grundstücks selbst (Asset Deal) werden so grunderwerbsteuerlich gleichgestellt. Durch eine strikte Wahrung des Stichtagsprinzips wird auch der Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs für alle leicht identifizierbar. Die Verständlichkeit durch die Erkennbarkeit des Belastungsgrundes erhöht die Akzeptanz der Besteuerung. Zugleich wird eine zweckgerechte, rechtssicherere und vorhersehbare Rechtsanwendung im Sinne des Belastungsgrundes ermöglicht und damit die Planungs-, Rechts- und Vollzugssicherheit erhöht.

Im geltenden Recht führt das Nebeneinander konzeptionell widersprüchlicher Ergänzungstatbestände (§ 1 Abs. 2a, 2b, 2c GrEStG einerseits und § 1 Abs. 3, 3a, 4a GrEStG andererseits) zu zweckwidrigen Doppelbesteuerungen und wegen der Überwachungsfristen zu einem hohen Vollzugsaufwand. Sie werden daher abgeschafft und durch einen einzigen Ergänzungstatbestand ersetzt, der sich konzeptionell am bisherigen § 1 Abs. 3 GrEStG orientiert, diesen aber klarer und verständlicher fasst. Auch die Zurechnung von Grundstücken und von Anteilen an Grundstücksgesellschaften lässt sich dadurch – anders als im geltenden Recht – intuitiv regeln: Wer Grundstücke oder Anteile selbst erwirbt, dem werden sie zugerechnet.

Schließung von Besteuerungslücken durch zielgenaue und belastungsgrundkonforme Regelungen zur Gestaltungsverhinderungen

Zur Gestaltungsverhinderung wurden in der Vergangenheit die Beteiligungsgrenzen von 100% auf 95 % (ab 1.1.2000) und auf 90% (ab 1.7.2021) abgesenkt und Überwachungsfristen verlängert. Die Praxis reagiert bei gestaltungsfähigen Transaktionen schlichtweg mit einem größeren „Minderheitenanteil“ und mit längerem „Abwarten“. Dieser „Hase & Igel“-Wettlauf zwischen Gesetzgeber und Steuerpflichtigen soll durch zielgenaue Regelungen zur Gestaltungsverhinderung unterbunden werden, die sich aus dem Belastungsgrund ableiten und bereits den ökonomischen Anreiz zur Gestaltung entfallen lassen. Zugleich werden die offenen Gestaltungslücken im bestehenden Recht (Altgesellschaftermodell, Stiftungsblocker, Unit Deals mit Investmentvermögen) geschlossen und erstmalig der Besteuerung unterworfen.

Die neuen Instrumente zur Gestaltungsverhinderung sind die Erwerbergruppe (abgestimmtes Verhalten) und das dienende Interesse. In kombinierter Anwendung filtern beide Instrumente besteuerungswürdige Gestaltungen heraus und unterwerfen sie der Besteuerung. Dabei verschieben die Instrumente die ökonomische Anreizwirkung zur Gestaltung so, dass die Kosten und sonstige Nachteile der Gestaltung für die Steuerpflichtigen teurer sind als ein etwaiger Steuervorteil, der durch eine gestalterische Vermeidung der Grunderwerbsteuer erreicht werden könnte. Bei der Erwerbergruppe hemmt etwa die vorgesehene Gesamtschuldnerschaft zwischen Haupt- und Co-Investor bereits den steuergetriebenen Einstieg des Co-Investors. Das dienende Interesse wird generell so konkretisiert, dass das Zurückbehalten von Restbeteiligungen, um (vorerst) die Grunderwerbsteuer zu sparen, in einer Gesamtbetrachtung ökonomisch unattraktiver ist als ein steuerbarer Erwerb der 100 %-Beteiligung. Da ein bloß dienendes Interesse regelmäßig mit Sonderabreden (Mindest- bzw. Fixvergütungen und Beschränkungen der Gesellschaftsrechten für den „Klotz am Bein“-Gesellschafter) erträglich gemacht wird, werden diese zur Identifikation des besteuerungswürdigen Falls herangezogen. Auch Stiftungsblocker, die ökonomisch nur reizvoll sind, wenn der Erwerber bei der Stiftung zumindest mitbestimmen kann, werden durch das dienende Interesse zielgenau der Besteuerung unterworfen. Steuervermeidungen durch sog. Unit Deals mit Investmentvermögen werden durch eine Zurechnungsregel für Grundstücke verhindert, die den wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht.

Der tiefere Sinn der Instrumente (Erwerbergruppe und dienendes Interesse) ist dabei denkbar einfach: Sie machen die Gestaltung von vornherein wirtschaftlich sinnlos und behaften einen etwaigen Gestaltungserfolg mit einer attraktivitätshemmenden Rechtunsicherheit. Kurz: Gestaltung lohnt sich nicht.

Der Trichter: Steuerausnahmen nur für besteuerungsunwürdige Fälle statt eines Nebeneinanders unkoordinierter Steuervergünstigungen

Die Steuervergünstigungen im geltenden Recht stehen unkoordiniert Nebeneinander und Differenzen anhand der Rechtsform (§§ 5, 6 und 7 GrEStG) und der Transaktionsart (§ 6a GrEStG), obwohl nach dem Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer Personen- und Kapitalgesellschaften bzw. konzerninterne Käufe und Umwandlungen gleich zu belasten wären. Diese Steuervergünstigungen werden daher abgeschafft und durch eine Regelung ersetzt, die ausschließlich solche Transaktionen von der Steuer ausnimmt, die nach dem Belastungsgrund nicht besteuerungswürdig sind (sog. Trichterlösung).

Innerhalb des Trichters werden rechtsform- und transaktionsneutral alle Asset Deals oder Share Deals von der Besteuerung ausgenommen. Einzige Bedingung ist, dass die Person, die auf der Spitze des auf dem Kopf stehenden Trichters sitzt, an den Gesellschaften innerhalb des Trichters unmittelbar oder mittelbar zu 100 % beteiligt ist. Anders ausgedrückt: Verändert sich die vollständige wirtschaftliche Macht einer Person über ein Grundstück durch eine Transaktion nicht, wird die Transaktion auch nicht besteuert. In der Reichweite des Trichters spiegelt sich so exakt der Belastungsgrund wider.

Gleichbelastende Bemessungsgrundlage für Asset Deals und Share Deals

Gegenwärtig ist ein Share Deal regelmäßig steuerlich attraktiver als ein Asset Deal, weil sich beim Share Deal die Bemessungsgrundlage stets nach dem bewertungsrechtlichen Grundbesitzwert richtet, der regelmäßig niedriger ist als der von Beteiligten vorausgesetzte und oftmals auch ausgewiesene Kaufpreis. Um Asset Deals, bei denen stets der ausgewiesene Kaufpreis maßgeblich ist, und Share Deals auch in der Bemessungsgrundlage gleich zu behandeln, nimmt die Neuausrichtung zwei Veränderungen vor:

Bei solchen Share Deals, bei denen die Beteiligten für die Kaufpreisfindung einen Einzelpreis für Grundstücke vertraglich voraussetzen, ist dieser wie beim Asset Deal auch für die Steuer heranzuziehen.

Zugleich ist in allen Fällen, in denen Beteiligte ohne einen hinreichenden Interessensgegensatz einen Kaufpreis unter dem Grundbesitzwert „aushandeln“, der Grundbesitzwert als Mindestbemessungsgrundlage heranzuziehen. Ein nicht hinreichender Interessensgegensatz besteht Mehrheitsbeteiligungen (50+1). Im geltenden Recht wird diese Besteuerungslücke nur punktuell im Rückwirkungszeitraum bei Umwandlungen (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 UmwStG) geschlossen – allerdings auch dort nur unvollständig.

  • Klar verständlicher Belastungsgrund durch Rückkehr zur 100 Prozent-Grenze
  • Belastungsgleichheit durch absolute Rechtsformneutralität
  • Rechtssicherheit durch Wahrung des Stichtagsprinzips
  • Verständliche und intuitive Zurechnung von Grundstücken und Grundstücksgesellschaften
  • Planungs- und Vollzugssicherheit durch Abschaffung der Überwachungsfristen
  • Ökonomischer Verhaltensanreiz zum Absehen von Gestaltungen
  • Zielgenaue Verhinderung von besteuerungswürdigen Umgehungsgestaltungen
  • Einfache und folgerichtige „Konzernklausel“ durch Trichterlösung

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