Der Lehrstuhl Klesczewski unternahm am 31.07.2024 gemeinsam mit einer Gruppe von Studierenden eine Exkursion zur Stutthof-Verhandlung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshof (BGH) in Leipzig. Anschließend fand in den Räumlichkeiten der Fakultät ein vom Lehrstuhl organisierter Vortrag mit anschließender Diskussion des Revisionsvertreters Rechtsanwalt Dr. Molkentin statt.
Der BGH verhandelte über die Revision von Irmgard F., die im Dezember 2022 vom Landgericht Itzehohe wegen Beihilfe zum Mord in über 10.000 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung verurteilt wurde. F. arbeitete ab 1943 als Stenotypistin in der Kommandantur des Konzentrationslagers Stutthof.
Nach dem Urteil des Landgerichts (BeckRS 2022, 48887) war die Schreibtätigkeit von F. als einziger Stenotypistin von „essenzieller Bedeutung“ für die Aufrechterhaltung des Betriebs des Konzentrationslagers. Durch ihre „stetige Bereitschaft, bei der Absetzung des für den Lagerbetrieb einschließlich einzelner Tötungsaktionen notwendigen Schriftverkehrs“ habe sie den Haupttätern physische und psychische Beihilfe geleistet.
Die Verteidigung argumentierte jedoch, dass der Fall sich nicht „bruchlos in die jüngere Rechtsprechung zu NS-Beihilfetaten einordne“. Anders etwa als in den Fällen Demjanjuk (2011) und Gröning (2016) war F. nicht etwa im Wachdienst oder der Selektion der Gefangenen tätig gewesen, sondern übte lediglich Schreibtischtätigkeiten aus. Die Rechtsprechungslinie des BGH sei auch deshalb nicht übertragbar, weil es sich beim Konzentrationslager Stutthof – anders als bei Auschwitz und Sobibor etwa – nicht um ein „reines“ Vernichtungslager handelte. Weitere Medieninformationen inklusive des Plädoyers der Verteidigung finden Sie hier.
Zur Rechtsprechungslinie des BGH:
BGH NJW 2017, 498 m. Anmerkung Grünewald (Urteil „Gröning“);
Bode, Beihilfe zum organisierten Massenmord, NJ 2017, 227 (Urteil „Gröning“);
Mit seinem Urteil vom 20.08.2024 (Az. 5 StR 326/23) bestätigte der BGH nun die Verurteilung vom Irmgard F. im vielleicht letzten KZ-Prozess vor einem deutschen Gericht. Siehe die Pressemittelung des BGH zur Verkündung. Die Urteilsverkündung ist ferner in voller Länge hier nachzusehen.
Über den ersten Verhandlungstag berichtete Wiss. Mitarbeiter Roman Fiedler zudem ausführlich für LTO (Legal Tribune Online).
Der Lehrstuhl Klesczewski plant aktuell eine weitere Diskussionsveranstaltung zum Urteil des BGH. Angefragt ist Prof. Dr. Mosbacher, Richter am 5. Strafsenat des BGH. Weitere Informationen hierzu folgen in Kürze.